Mizmorim Kammermusik Festival, Basel
«Im Jahr 2025 widmet sich das Mizmorim Kammermusik Festival dem Thema Exil. Ein Thema, das sich durch die ganze Menschheitsgeschichte zieht. Und ein Thema, das sich nicht zuletzt in das kollektive Gedächtnis des Judentums eingebrannt hat. Das vielleicht sogar zum Trauma eines Volkes wurde, das mehr als andere geprägt war von Verfolgung und Vertreibung, das dadurch aber auch zu einer Schicksalsgemeinschaft wurde. Kann Unrecht auch die Wurzel sein für Gemeinschaft und kulturelle Identifikation?
Das 11. Mizmorim Kammermusik Festival begibt sich auf eine Spurensuche, inwieweit die erzwungenen Emigrationswellen, inwieweit das Leben von Jüdinnen und Juden im Exil in den letzten hundert Jahren zu einer Erneuerung und Befruchtung der gesamten Kultur und der Musikkultur im Besonderen beigetragen haben – der eigenen wie auch der fremden.»
Michal Lewkowicz, Gründerin und künstlerische Leiterin Mizmorim Kammermusik Festival
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11. Mizmorim Kammermusik Festival, Basel
12. Januar bis 2. Februar 2025
«Exil»
Wenn das internationale Mizmorim Kammermusik Festival die Begegnung von alter und neuer jüdischer und westlicher Kunstmusik in den Mittelpunkt stellt, so will es nichts anderes, als Brücken zwischen verschiedenen Religionen und Traditionen zu schlagen, immer getragen von dem Wunsch und dem Versuch, die Verständigung der Kulturen auch jenseits aktueller politischer Entwicklungen zu befruchten und voranzutreiben. Das war der Wunsch und der Grund, warum die in Israel geborene und in Basel lebende Musikerin Michal Lewkowicz im Jahr 2015 dieses einzigartige Festival ins Leben gerufen hat.
«Exil» ist das Thema der elften Ausgabe dieses Festivals – ein Schicksal, das im Judentum seit jeher nur allzu bekannt ist und das derzeit einen großen Teil der Menschheit betrifft: Weltweit sind weit über 100 Millionen Menschen auf der Flucht.
Insofern ist eine Frage – und mag sie noch so paradox klingen – durchaus naheliegend: Kann das Phänomen Exil auch positiv sein? Natürlich ist unfreiwillige Migration immer mit Einschränkungen verbunden. Und doch begreifen Menschen diese Art von Fremde auch immer wieder als Chance. Ja ist es nicht sogar so, dass die großen Migrationswellen der Geschichte nicht selten zu einer Erneuerung und Befruchtung der Kultur der jeweiligen Länder beigetragen haben? Ist es nicht so, dass sich Kurt Weill in Amerika zum Musical-Komponisten entwickelt hat? Ist es nicht so, dass der Startschuss für Arnold Schönbergs weltweiten Siegeszug der Zwölftonlehre in Los Angeles fiel? Und dass Erich Wolfgang Korngold in seinem amerikanischen Exil immerhin zwei Oscars gewann?
Das Mizmorim Kammermusik Festival 2025 schärft die Sinne, indem es Musik aus den gut hundert Jahren seit dem Ersten Weltkrieg präsentiert, Exilerfahrungen und deren Auswirkungen beleuchtet und greifbar macht. Um hier nur einige Höhepunkte zu nennen: Igor Strawinskys Histoire du soldat, Erich Wolfgang Korngolds Fünf Lieder op. 38, Leo Ornsteins Klaviersonate Nr. 4, Olivier Messiaens Quatuor pour la fin du temps, Kurt Weills Cellosonate … Nicht weniger spannend sind die Mitwirkenden: das Gringolts Quartet, der Bratschist Lawrence Power, der Pianist und Gewinner des Concours Géza Anda Anton Gerzenberg, die Sopranistin Silke Gäng, der Medienkünstler Janiv Oron als Artist in Residence, die jüdische Rapperin, Sängerin und Performerin Lea Kalisch, der Sänger Ruben Drole, außerdem ein weiterer Artist in Residence, der diesjährige Composer in Residence Hed Bahack, und viele mehr.
11th Mizmorim Chamber Music Festival, Basel
29th January – 2nd February 2025
»Exile«
The international Mizmorim Chamber Music Festival focuses on the confluence of ancient and modern Jewish and Western classical music. In doing so, it seeks to build bridges between different religions and traditions, thereby fostering an understanding between cultures beyond current political events. This was the desire of Israeli-born, Basel-based musician Michal Lewkowicz, when she founded this unique festival in 2015.
The eleventh edition of this festival takes a closer look at the various facets of exile – a fate that has long been all too familiar to Judaism and which currently affects a large part of mankind. Well over 100 million people worldwide are currently fleeing persecution.
In this context, one question soon arises: However paradoxical it may seem, can exile also be a positive phenomenon? Of course, involuntary migration is associated with restriction, yet somehow man has always managed to find opportunity in foreign places. Is it not the case that history’s great waves of migration have often contributed to a renewal and fertilisation of culture in the new country? Is it not so that Kurt Weill evolved into a composer of musicals in America? Is it not true that Arnold Schönberg’s worldwide triumph of twelve-tone theory was launched in Los Angeles? Or that Erich Wolfgang Korngold won two Oscars during his American exile?
The Mizmorim Chamber Music Festival 2025 aims to sharpen the senses by presenting music from the century following the First World War. In this way it hopes to illuminate and make tangible the experience and consequences of exile. To name just a few highlights: Igor Stravinsky’s Histoire du soldat, Erich Wolfgang Korngold’s Fünf Lieder op. 38, Leo Ornstein’s Piano Sonata No. 4, Olivier Messiaen’s Quatuor pour la fin du temps, Kurt Weill’s Cello Sonata … The performers themselves are equally exciting: the Gringolts Quartet, violist Lawrence Power; Anton Gerzenberg, pianist and winner of the Concours Géza Anda; soprano Silke Gäng; our Artist in Residence, media artist Janiv Oron; Jewish rapper, singer and performer Lea Kalisch; baritone Ruben Drole; plus this year’s Composer in Residence, Hed Bahack, and many more.
»The Mizmorim Chamber Music Festival 2025 is dedicated to the theme of exile. It is a theme that runs throughout the entire history of mankind, and one that has been etched into the collective memory of Judaism. It could even be said to have become the trauma of a people subject more than most to persecution and expulsion. Yet this very trauma has brought about the growth of a people into a community united by its destiny.
The 11th Mizmorim Chamber Music Festival embarks upon a journey exploring the extent to which forced waves of emigration and the life of Jews in exile over the last hundred years have contributed to the renewal and fertilisation of culture as a whole, and in particular musical culture – both our own and that of others.«
Michal Lewkowicz, founder and artistic director of Mizmorim Chamber Music Festival
Was ist Mizmorim?
Der Begriff kommt vom altgriechischen ‚psallein‘: die Saiten schlagen. Psalm heisst wörtlich übersetzt: gezupftes Lied. Auf hebräisch: ‚Mizmor‘. Im Plural: ‚Mizmorim‘, Psalmen. Sie stellen die musikalische Form des Gebetes und des gedanklichen Austauschs im jüdischen Glauben dar und sind Bestandteil verschiedener Religionen und Kulturen.
Warum ist das Mizmorim Kammermusik Festival besonders?
Jedes Jahr kommen im Januar renommierte Künstler*innen aus der Schweiz und der ganzen Welt in Basel zusammen, um zu einem bestimmten Themenschwerpunkt Werke verschiedener Epochen zu präsentieren. Dabei steht immer die Begegnung von alter bis neuester jüdischer und westlicher Kunstmusik im Mittelpunkt. Die Programme nehmen das Publikum mit auf eine abwechslungsreiche Reise, auf der es unbekannte Werke und neue Perspektiven zu entdecken gibt. Aber Mizmorim ist mehr als ein Musikfestival. Es ist der Versuch, mit Musik Brücken zwischen verschiedenen Religionen und Traditionen zu bauen und die Verständigung der Kulturen auch jenseits aktueller politischer Entwicklungen zu suchen.
Warum Basel?
Jüdische Menschen leben seit dem 13. Jahrhundert in Basel. Eine jüdische Gemeinde, eine Synagoge und ein jüdischer Friedhof sind nur wenige Beispiele für das reiche jüdische Leben in Basel. Theodor Herzl hat 1897 in dieser Stadt den allerersten zionistischen Kongress veranstaltet (dem folgten 9 weitere) – die Wiege des Staates Israel liegt im Grunde hier, in Basel. Eine eminent wichtige Rolle spielten dabei immer die Mizmorim, die jüdische Musik, Kultur und Traditionen mit dem westlichen Kunstleben in Europa verbinden.
Warum dieses Motto: Exil?
Kann Exil, also das Leben in einem fremden Land, auch positiv sein? Spontan möchte man die Frage klar verneinen, ist die unfreiwillige Migration doch immer mit Zwang und Einschränkungen, oft mit Armut und Tod verbunden. Auf der anderen Seite kann die Notwendigkeit, in einem neuen Umfeld ein neues Leben zu beginnen, auch eine Chance bedeuten. Aus einer Zwangslage können neue Visionen und Impulse erwachsen. Viele Komponisten der letzten hundert Jahre mussten diese Perspektiven entwickeln. Das ist einer der Gründe, warum sich Mizmorim im Jahr 2025 auf Spurensuche begibt.
What is Mizmorim?
The term comes from the ancient Greek ‚psallein‘, to strike the strings. Psalm literally means a plucked song, and the Hebrew word for psalm is ‚Mizmor‘, in the plural, ‚mizmorim‘. This represents the musical form of prayer and the exchange of thoughts in the Jewish faith and also appears in other religions and cultures.
Founded by Israeli-born, Basel-based musician Michal Lewkowicz in 2015, the international Mizmorim Chamber Music Festival focuses on the confluence of ancient and modern Jewish and Western classical music.
What makes the Mizmorim Chamber Music Festival special?
Every year in January, renowned artists from Switzerland and all over the world come together in Basel to present works on a specific theme from across the centuries. Focussed on the juxtaposition of old and new Jewish and Western classical music, its programmes take the audience on a richly varied journey, where unknown works and new perspectives await discovery.
Why Basel?
Jews have been living in Basel since the 13th century. The Jewish community, synagogue and cemetery are just a few examples of Basel’s rich Jewish life. Theodor Herzl organised the very first Zionist Congress in the city in 1897, and this was followed by nine more. The cradle of the State of Israel is essentially here in Basel. Mizmorim has always played an eminently important role in connecting Jewish music, culture and tradition with Western artistic life in Europe.
Why the theme of exile?
Can exile, that is to say life in a strange country, also be something positive?
The spontaneous answer would probably be no, as involuntary migration is always associated with coercion and restriction, often even with poverty and death. On the other hand, the necessity to start a new life in a new environment may also be an opportunity, the predicament giving rise to new visions and impulses. Many composers over the last hundred years have been forced to develop such perspectives, and this is one of the reasons why Mizmorim is exploring the topic in 2025.